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Zwischen Hoffnung und Trauer

Das Team Familie

Familien können Teams sein, in dem die Einzelnen Unterstützung, Kraft und Zusammengehörigkeit finden. Durch schwierige Anforderungen und schmerzhafte Erfahrungen werden Familien jedoch einer hohen Belastung ausgesetzt.

Jede und jeder reagiert in schweren Zeiten unterschiedlich – unsere Persönlichkeit und Prägung, unsere bisheri­gen Erfahrungen und unsere Fähigkeiten bestimmen darüber, wie uns eine schwierige Situation beein­flusst und wie wir wiederum versuchen, Einfluss auf sie zu nehmen. Aber wir sind nicht nur individuelle Persönlichkeiten, sondern auch Mitglieder von Gruppen und Gemeinschaften. Wir sind Mutter oder Vater, Partner oder Partnerin, Tochter oder Sohn, Bruder oder Schwester oder ein anderes Familienmitglied. Es besteht eine Vielzahl von Verbindungen und Kommunikations-
strängen innerhalb unseres Systems.

Bei einer grundlegenden Veränderung im Gefüge gerät die Familie zunächst aus dem Gleichgewicht. Stellen Sie sich Ihre Familie als ein Mobile vor: Nimmt man ein Element aus dem Mobile heraus oder ändert seine Position, kippt das Gleichgewicht sehr schnell. Einzelne Menschen sind vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr in ihrer üblichen Funktion oder plötzlich weit entfernt. Alle streben nun nach einer neuen Balance und nach Bewältigungsstrategien, sowohl für sich selbst als auch für die Gemeinschaft.

Dieses Streben ist ein gutes Anzeichen. Als hilfreich für Familien gilt es, wenn sie

  • die Krise als solche akzeptieren können;
  • den Blick nach kurzer Zeit auch wieder auf die gesamte Familie lenken können;
  • eine hohe Toleranz dafür zeigen, dass die Familienmitglieder unterschiedlich trauern und unterschiedliche Verarbeitungsmechanismen haben;
  • es wagen, sich untereinander ihren Schmerz zu zeigen und möglichst offen über ihre Gefühle zu sprechen;
  • flexibel in ihrer Rollenaufteilung sind.

Familien sind als Systeme ähnlichen Einflüssen unterlegen wie die einzelnen Familienmitglieder auch. So kann es sein, dass Familien „in der Starre verhaften“, von Schuldgedanken in ihrer Heilung und Balancefindung behindert werden – oder aber einzelne und gemeinsame Wachstumsprozesse entwickeln. Es können Gefühle von Stärke und Mitgefühl aufleben und manchmal werden alte Pfade verlassen. In einigen Familien rücken übergeordne­te Grundwerte wieder in den Fokus und nicht selten geschieht eine Rückbesinnung auf Glaube und Spiritualität. Es ergeben sich manchmal also Wachstumsmöglichkeiten – ohne, dass dadurch das Traurige und das Schwierige der auslösenden Situation aberkannt oder verharmlost wird.

Illustration Familie
 

„Menschen, die einmal kritische Lebenssituationen bewältigt haben, können sich mit weiteren belastenden Ereignissen besser auseinandersetzen und können angemessener mit diesen umgehen. Demnach wachsen und lernen Individuen und auch Familien durch die Krisenbewältigung und gedeihen nicht nur trotz, sondern gerade wegen widriger Umstände."

Illustration

Wir haben die Trauerexpertin Chris Paul nach ihren Gedanken zu dieser besonderen Situation in der Familie gefragt:

Trauerprozesse laufen bei Menschen sehr unterschiedlich ab. Es gibt mehrere Bereiche der Trauer, und jeder Mensch ist zu verschiedenen Zeiten in einem dieser Bereiche, bleibt dort unterschiedlich lange und hat eine eigene Geschwindigkeit. Wie schafft man es innerhalb einer Familie, trotzdem beieinander zu bleiben und gegenseitiges Verständnis dafür aufzubringen, dass der andere vielleicht an einem anderen Punkt ist als ich?

„Mit ganz viel Geduld und ganz viel Respekt. Und indem man sich möglichst Hilfe von außen holt. Das können Trauerbegleiterinnen sein, das können Therapeuten sein, das können Trauergruppen sein, das können aber auch einfach gute Freunde sein, die sich ein bisschen verteilen. Die beste Freundin der Mutter spricht mit ihr über ihre Trauer und der Kumpel des Mannes spricht mit ihm und die Lehrerin spricht mit der Schwester. So dass alle Familienmitglieder Möglichkeiten haben, zu sprechen und sich zu entlasten, Dinge auch außerhalb der Familie zu gestalten. Dann kann man geduldiger zurückkehren und denken ‚Oh, ja, die machen das ja alle ganz anders‘. Da die Bedürfnisse woanders gestillt wurden, kann man das dann leichter einfach zur Kenntnis nehmen. 

‚Trotzdem sind mein Mann, meine Frau, meine Kinder, meine Eltern, meine Geschwister und die anderen mir wichtig. Die machen das ganz anders, aber sie sind da. Sie können vielleicht nicht mit mir ins Krankenhaus gehen, aber sie können vielleicht etwas anderes mit mir machen.‘

Dann fängt man an, wie in einem multikulturellen Haushalt die unterschiedlichen Sprachen zu akzeptieren und nicht mehr so wütend zu sein, dass die anderen andere Trauersprachen sprechen oder in einem anderen Tempo trauern. Dann versuchen wir trotzdem gemeinsame Punkte zu finden und die Gestaltung des Lebens auszuhandeln wie bisher. Wer fährt wann ins Krankenhaus und wie wird das Zimmer unseres Kindes umgestaltet? Da kann nicht einer sagen ‚So ist es‘.

Dann kann man gemeinsame Nenner suchen mit viel Raum für Eigenständigkeit und gestärkt durch die Unterstützung von außen. Und gut ist, wenn man das Weiterleben nicht zu kurz kommen lässt. Jede weiterlebende Familie muss auch mal eine Radtour machen und vielleicht Pflaumenkompott einkochen oder sonst was. Auch andere Dinge miteinander teilen als die Trauer.“

Illustration Unternehmungen

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