In der Reha

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Frührehabi­li­tation – was heißt das?

„Die Frührehabilitation ist ein Glied in der Rehabilitationskette, welches an die Akutphase auf der Intensiv­station anschließt.“

Aus „Schädel-Hirn-Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen“ von Christiane Gérard, Christian Lipinski und Wolfgang Decker, Seite 61

Intensive Versorgung Ihres Kindes

In der Frührehabilitation ist Ihr Kind von vielen verschiedenen Berufsgruppen umgeben: von ärztlichem Personal verschiedener Fachrichtungen, Pflegepersonal, therapeutischem Personal verschiedener Fachrichtungen sowie pädagogischen und ggf. psychologischen Fachkräften. All diese Menschen arbeiten zusammen in einem großen Team und ergänzen einander, um Ihr Kind möglichst umfangreich zu versorgen. Aufgrund der besonders intensiven Versorgung gilt die Frührehabilitation auch als „Intensivbereich der Rehabilitationsklinik“.

Therapie und Pflege

Wahrscheinlich erhält Ihr Kind täglich oder mehrmals in der Woche Logopädie, Physiotherapie und Ergotherapie; manche Kliniken bieten darüber hinaus weitere Therapien wie beispielsweise Musik­therapie oder tiergestützte Therapie an. Bei einigen Therapiestunden wird es begrüßt, wenn Sie als Eltern mit teilnehmen. Sie kennen Ihr Kind wie niemand sonst und wissen um seine Vorlieben, Interessen und Abneigungen. Mit diesem ­Wissen können Sie helfen, Therapieelemente zu erarbeiten, die Ihr Kind ganz persönlich ansprechen. Andere Therapiestunden finden ohne Begleitung der Eltern statt. Sprechen Sie mit den Therapeutinnen und Therapeuten, wann Ihre Anwesenheit sinnvoll ist, wann weniger.

Neben den Therapien ist der Alltag Ihres Kindes in der Frührehabilitation von der medizinischen und pflegerischen Versorgung bestimmt. Der Anteil dieser Tätigkeiten kann gegenüber den Therapiemaßnahmen vergleichsweise hoch erscheinen. Doch viele pflegerische Tätigkeiten haben auch einen therapeutischen Charakter. So bietet das Waschen oder das Verändern der Lage im Bett beispielsweise immer auch einen sensorischen Reiz, der Ihrem Kind Wahrnehmung ermöglicht. 

Häufig werden Eltern im Laufe der Frührehabilitation in die Pflege ihres Kindes eingebunden. Dies ist in der Regel eine gute Vorbereitung auf die spätere Versorgung außerhalb der Klinik. Gleichzeitig ist die Frührehabilitation eine Zeit, in der Sie als Eltern sich auch ein wenig um sich selbst kümmern können. 

Manchmal denken Eltern:  „Je mehr und intensiver das Kind behandelt wird, desto schneller stellen sich Erfolge ein. Das ist eine verständliche Vorstellung. […] Nun aber beginnt eine neue Behandlungs­phase, bei der es auch darauf ankommt, das verletzte Gehirn nicht zu überlasten und auf ein gesundes Verhältnis von Anspannung und Entspannung zu ­achten. Weniger ist deshalb manchmal mehr.“

Aus „Schädel-Hirn-Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen“ von Christiane Gérard, Christian Lipinski und Wolfgang Decker, Seite 36f.

Wie die individuellen Rehabilitationsziele ­aussehen und welche Maßnahmen dafür in welchem ­Umfang eingesetzt werden, ist auf die Situation und Bedürfnisse Ihres Kindes zugeschnitten und wird regelmäßig im Verlauf der Rehabilitation überprüft.

Aufenthaltsdauer

Die Dauer der Frührehabilitation ist nur schwer vorherzusehen. Es ist jedoch unserer Erfahrung nach üblich, dass Kinder mit einer schweren erworbenen Hirnschädigung viele Monate in der Frührehabilitation verbleiben.

Mitaufnahme eines Elternteils oder von Geschwisterkindern

Da es nur wenige spezialisierte neurologische Rehabilitationskliniken für Kinder und Jugendliche gibt, ist deren Entfernung zu Ihrem Wohnort möglicherweise sehr groß. Tägliche Fahrten zu Ihrem Kind können dann schnell sehr belastend werden.

Um Ihnen auch bei größerer Entfernung zwischen Behandlungszentrum und Wohnort größtmögliche Nähe zu Ihrem Kind zu ermöglichen, bieten viele Kliniken die Mitaufnahme eines Elternteils an. Manchmal können Sie in das Zimmer Ihres Kindes mit aufgenommen werden (rooming-in), manchmal in der unmittelbaren Nähe der Klinik untergebracht werden; das hängt vom Alter des Kindes und den Gegebenheiten vor Ort ab. Manche Kliniken haben auch sogenannte Elternhäuser. Auch die vorübergehende Mitaufnahme von Geschwisterkindern 
ist je nach deren Alter in Ausnahmefällen möglich. 

Wenn Sie als Elternteil stationär in der Rehaklinik mit aufgenommen werden, können Sie einen Antrag auf Übernahme der Kosten stellen, die für Sie als Begleitperson entstehen. Hierzu zählen z. B. Kosten für die Unterkunft und Verpflegung. Auch besteht die Möglichkeit für die Erstattung eines Verdienstausfalls, der Ihnen durch die Mitaufnahme gegebenenfalls entsteht. 

Voraussetzung hierfür ist, dass die stationäre Mitaufnahme medizinisch notwendig ist. Bei der stationären Behandlung eines Kindes, das das neunte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Mitaufnahme einer Begleitperson unbedingt erforderlich ist. Auch die Notwendigkeit, eine Begleitperson in Therapiekonzepte mit einzubeziehen, kann ein Grund für eine Mitaufnahme sein. Die medizinische Notwendigkeit muss durch die Ärztin oder den Arzt des Krankenhauses bescheinigt werden. 

Bei einer solchen Verdienstausfallerstattung handelt es sich um eine Nebenleistung zur stationären Behandlung. Hierfür ist die Krankenkasse zuständig, die auch die Hauptleistung – die Reha Ihres Kindes – übernimmt. Der Antrag ist daher bei der Krankenkasse Ihres Kindes zu stellen. 

Der Sozialdienst des Akutkrankenhauses oder der Rehabilitationsklinik kann Ihnen bei der Organisation und der Antragstellung an die Krankenkasse helfen.

Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 3 SGB 5

Fahrtkosten

Ab der neunten Aufenthaltswoche in der Rehabili­tationsklinik kann die Krankenkasse die Kosten für 2 Fahrten im Monat zur Klinik und zurück übernehmen. Auch hierfür muss ein Antrag ge­stellt werden.

Rechtsgrundlage ist § 60 Absatz 5 SGB 5 und § 73 Absatz 1–3 SGB 9

Unser Tipp:
Wir empfehlen Ihnen, Leistungen auszuschöpfen, auch wenn Ihnen die Summe der erstatteten ­Kosten gering erscheint oder Ihnen die selbstständige Finanzierung gerade keine Probleme macht. Sie haben einen Anspruch auf bestimmte Leistungen und können so Ihre eigene finanzielle Belastung über einen längeren Zeitraum minimieren. Der bürokratische Aufwand erscheint zwar manchmal hoch – vor ­allem, wenn man noch nie einen Antrag bei der Krankenkasse gestellt hat. Aber auch dabei kann der Sozialdienst Sie unterstützen. Oder Sie haben vielleicht eine Person im Freundschafts- oder Bekanntenkreis, die Ihnen bei diesen Aufgaben zur Seite steht.

Wenn Ihnen eine Mitaufnahme aus bestimmten Gründen nicht möglich ist und Sie jeden Tag in die Klinik fahren, können Sie die finanzielle Belastung, die durch diese regelmäßigen Fahrten entsteht, ebenfalls senken: Stellen Sie einen Antrag auf Übernahme der täglichen Fahrtkosten einer medizinisch notwen­digen Begleitperson bei der Krankenkasse.

Voraussetzung für die Erstattung der Fahrtkosten ist hier ebenfalls eine ärztliche Bescheinigung, dass die Anwesen­heit der Eltern medizinisch notwendig ist. Die Fahrtkosten werden dann im Einzelfallentscheid anstelle der Kosten für die Mitaufnahme einer Begleitperson gezahlt. Der Sozialdienst in der Klinik kann Ihnen sicherlich dabei helfen, eine solche Bescheini­gung zu erhalten und einen Antrag zu formulieren.

Haushaltshilfe

Wenn es Ihnen aufgrund der Mitaufnahme in der Rehabilitationsklinik nicht möglich ist, Ihren Haushalt weiterzuführen, haben Sie die Möglichkeit, eine Haushaltshilfe bei der Krankenkasse (in manchen Fällen auch bei der Unfall- oder Rentenversicherung) zu beantragen. Voraussetzung ist, dass im Haushalt ein Kind lebt, das das zwölfteLebensjahr noch nicht vollendet oder eine Behinderung hat und auf Hilfe angewiesen ist. Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass keine andere im Haushalt lebende Person die Weiterführung des Haushalts sicherstellen kann. Das kann am sehr hohen Alter, am Gesundheitszustand oder am Umfang der Haushaltsführung liegen. 

Anspruch auf eine Haushaltshilfe besteht auch dann, wenn Sie als Begleitperson mit in der Klinik aufgenommen sind und Ihr Mann oder Ihre Frau das weitere Kind oder die weiteren Kinder aus Gründen der Berufstätigkeit nicht vollständig betreuen und versorgen kann. Eine Beurlaubung von der Arbeit wird nicht gefordert.

Entsprechende Antragsformulare stellen viele Krankenkassen bereits auf ihrer Internetseite zur Verfügung.

Rechtsgrundlage ist §38 SGB 5

Unser Tipp:
Sollten Sie keine fremde Haushaltshilfe benöti­gen, weil der Haushalt von Angehörigen (Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad) fortgeführt wird, kann die betreffende Person die dadurch entstehenden Aufwendungen erstattet bekommen (Fahrtkosten, Verdienstausfall).

In Einzelfällen gewähren manche Krankenkassen auch eine Haushaltshilfe, wenn das im Haushalt lebende Kind das 14. Lebensjahr noch nicht voll­endet hat.

Sozialdienst

Der bereits mehrfach erwähnte Sozialdienst ist ein geeigneter Ansprechpartner bei allen Fragen rund um die Ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen. Neben der sozialrechtlichen Beratung erbringt der Sozialdienst auch kompetente Hilfe bei vielen anderen wichtigen Fragen und Anliegen. Er kann von Beginn an und über die ganze Dauer der Rehabilitation in Anspruch genommen werden.

Es kommt immer wieder vor, dass Eltern erst zu einem sehr späten Zeitpunkt den Kontakt zu Mitarbeitenden des Sozialdienstes suchen, weil sie glauben, diese seien „nur“ für die Entlassungsvorbereitung da. Diesem Missverständnis möchten wir vorbeugen, indem wir Ihnen das mögliche Aufgabenspek­trum eines Sozialdienstes aufzeigen.

Kurz informiert
Die Aufgaben eines Sozialdienstes
  • Psychosoziale Beratung/Betreuung
    • Wohnen und Leben
    • Beruf und Arbeit
    • Lebensunterhalt und Geld
    • Familie, Partnerschaft und soziales Umfeld
    • Unterstützung in der Krankheitsverarbeitung
  • Vermittlung von weiterführenden Hilfen
    • psychologische Hilfe
    • Beratungsstellen
    • Selbsthilfegruppen
    • weitere Hilfsinstitutionen
  • Sozialrechtliche Beratung
    Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen, zum Beispiel bei
    • Krankenkasse/Pflegekasse
    • Agentur für Arbeit/Jobcenter
    • Wohnungsamt
    • Sozialamt/Eingliederungshilfe
    • Rentenversicherung
    • Unfallversicherung
    • Jugendamt
    • Schulamt
    • Versorgungsamt
  • Angehörigenberatung
  • Entlassungsvorbereitung
    • Hilfsmittelversorgung
    • Pflegegrad
    • häusliche Kinderkrankenpflege
    • Kindergärten/Schulen
    • Therapien
    • Entlastungsangebote
    • vollstationäre Einrichtungen
    • Transport
    • und Weiteres …

Wichtig: Das aufgelistete Aufgabenspektrum entspricht unseren Erfahrungen und Gesprächen mit Sozialdiensten in der Frührehabilitation. Das bedeutet nicht, dass jeder Sozialdienst im Einzel­­fall auch alle diese Aufgaben abdecken kann und muss.

Häufig sind die Mitarbeitenden der Sozialdienste für eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten und deren Angehörige zuständig, so dass ihre zeitlichen Ressourcen begrenzt sind. Dafür haben sie in der Regel ein gutes Netz an weiterführenden Hilfen und Ansprechpersonen, um Sie bestmöglich zu versorgen.

Wenn es von Ihnen und dem Sozialdienst gewünscht ist, kann die Lumia Stiftung bereits während der Rehabilitation ihre zusätzliche Unterstützung anbieten. Erfahrungsgemäß gestaltet sich oft eine gute Zusammenarbeit.

Unser Tipp:
Die Entlassungsvorbereitung sollte unserer Erfahrung nach rechtzeitig beginnen. Falls Sie sich dafür entscheiden, Ihr Kind zu Hause zu versorgen, muss gegebenenfalls ein Pflegedienst gefunden werden, der Sie unterstützt. Da es deutlich weniger spezialisierte Kinderkrankenpflegedienste als Erwachsenenpflegedienste in Deutschland gibt, nimmt die Suche oft viel Zeit in Anspruch.

Ebenso aufwendig gestaltet sich die Suche nach einer geeigneten stationären Einrichtung. Wir empfehlen daher, für die Entlassungsvorbereitungen etwa ­einen Zeitraum von 2 bis 3 Monaten einzuplanen, um in Ruhe Entscheidungen treffen zu können.